Sunday, November 01, 2015

Habermas - In Memory of Ulrich Beck

A short article by Jürgen Habermas on the German sociologist Ulrich Beck (1944-2015)

"Wer fehlt. Im Gedenken an Ulrich Beck"
("Süddeutsche Zeitung", October 29, 2015)

Excerpt

"Heute fehlt er. Mehr als zwei Jahrzehnte lang hatte er mit theoretisch ausgreifenden Untersuchungen, mit Zeitungsartikeln und Büchern, mit schriller werdenden Appellen eine Erweiterung jenes Denkhorizontes, der immer noch in nationalen Erfahrungsräumen verwurzelt ist, eingefordert und eingeübt. In der rührenden Ohnmacht von Politikern und Bürgern, die vergeblich nach Zäunen und Transitlagern, nach einer flotten Schließung der Grenzen rufen, spiegelt sich nostalgische Sehnsucht. Der souveräne, seine Grenzen kontrollierende und übersichtliche Verhältnisse garantierende Staat ist obsolet geworden - erst recht in Europa.

Wir sind heute mit einer neuen Sorte von "Ausweglosigkeiten" konfrontiert. Darüber schrieb Ulrich Beck schon 1988, zwei Jahre nach dem gelungenen Wurf der "Risikogesellschaft". Natürlich muss die Politik schnell und pragmatisch handeln, aber Auswege werden sich in Europa nur auf dem Wege eines polarisierenden Umdenkens öffnen. Diesen Weg hat Ulrich Beck schon mit den Titeln seiner Bücher, den Stichworten seiner Interventionen hartnäckig abgesteckt; immer waren es "Nachrichten aus der Weltinnenpolitik": "Die Opposition zwischen einem ,Wir', das hier lebt, und ,den anderen', die dort leben, die geografische, kulturelle, gesellschaftliche und politische Trennung zwischen dem ,Eigenen' und dem ,Fremden' zerbricht de facto." Was andere Akteure längst lernen mussten - beispielsweise "Migranten, Konzerne, religiöse Gemeinschaften, Menschenrechtsbewegungen, Wissenschaftler, Arbeiter, Lehrer, aber auch Kriminelle und nicht zu vergessen Neonationalisten und Al-Qaida-Terroristen" - das müssen nun Politiker und Bürger nachholen: Sie müssen "ihren Wahrnehmungs- und Aktionshorizont erweitern, aktiv vergleichen, fremde Perspektiven einnehmen und für die eigenen Zwecke koordinieren." So gestand die Kanzlerin in einem Fernsehgespräch, ihre Regierung habe nicht rechtzeitig bedacht, dass uns die Folgen des Bürgerkrieges im fernen Syrien hautnah betreffen könnten."


See also 

- Anthony Giddens's tribute to Ulrich Beck 

-  Links to obituaries on Ulrich Beck.

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